Artikel vom 26.03.2024 – HEIDI SCHARVOGEL
PORTRÄT: Kapitän Jens Wilbertz aus Elsfleth ist auf See groß geworden
ELSFLETH – Wofür würden Sie als Segelschiffskapitän nachts um 2 Uhr aufstehen? „Um die Tide nicht zu verpassen, um nach sturmbedingtem Zwangsaufenthalt im sicheren Hafen den einsetzenden günstigen Wind zum Segeln zu nutzen und für die leckeren selbst belegten Fischbrötchen von unserem Koch Uwe“, antwortet Kapitän Jens Wilbertz aus Elsfleth sofort auf einer Fahrt mit dem Traditionssegler „Großherzogin Elisabeth.“
Die See und die Schifffahrt bestimmen sein Leben – von klein auf. Als Kind war er oft auf dem Küstenmotorschiff (Kümo) der Familie unterwegs oder auf den Schiffen, die sein Vater gerade als Kapitän führte. Die Reederei war familienfreundlich. Frau und Kinder durften oft mitfahren.
Nach der Schulzeit absolvierte Jens Wilbertz erst die Ausbildung zum Matrosen und Schiffsmechaniker bei der Hamburger Traditionsreederei „Deutsche Afrika Linien“ und fuhr danach drei Jahre zur See, bevor er an der Fachschule für Nautik in Cuxhaven sein Kapitänspatent erwarb.
Später absolvierte er noch das Studium Diplom-Wirtschaftsingenieur für Seeverkehr am Fachbereich Seefahrt, der Fachhochschule Oldenburg (jetzt Jade Hochschule), in Elsfleth, wo er heute als Lehrkraft für besondere Aufgaben überwiegend in der praktischen Seefahrtsaus bildung tätig ist.
Auf Bohrinselversorgern
Mit dem Kapitänspatent in der Tasche ging es aber erstmal als Steuermann und später Kapitän auf Bohrinselversorger vor die Küste Westafrikas. Von und mit den Schiffen wurden Ölpipelines verlegt, Bohrinseln verschleppt und versorgt oder sie dienten als Basis für die Taucher. ,“Das war eine sehr lehrreiche, facettenreiche und schöne Fahrzeit“, erzählt der 58-Jährige.
Was hat ihn dann nach Elsfleth zurückgeführt? „Das Übliche: Ich bin seit 38 Jahren mit meiner Frau zusammen. Als das erste Kind kam, habe ich beim Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) in Bremen in der Verkehrszentrale als Nautiker vom Dienst angefangen.“
„Die damit verbundene Zusatzausbildung ist super gewesen. Ich kenne jedes Schiffshebewerk, jede Bundeswasserstraße und fast jede Schleuse. Dafür bin ich heute noch dankbar und es nützt mir viel bei meiner Dozententätigkeit“, sagt Jens Wilbertz.
Durch seinen Leiterposten in der Verkehrszentrale beim WSA in Bremerhaven wurde man bei Führungen für Lehrgangsgruppen der Marineoperationsschule auf ihn und sein Talent, anderen etwas beizubringen, aufmerksam. Das folgende Angebot, Dozent an der Marineoperationsschule zu werden, nahm der Rastlose gerne an. Dort arbeitete er in einem „schönen Büro, mit netten Menschen, mit super Lehrmitteln und Lehrausstattung“ direkt an der Geeste – bis die Stelle in Elsfleth ausgeschrieben wurde.
Um seine Befähigungszeugnisse zu erhalten, Neuerungen auf den Schiffen mitzubekommen und weil es wohl auch gar nicht anders geht, wenn das Meer ruft – fährt beziehungsweise fuhr der Vater von zwei inzwischen erwachsenen Kindern jeden Winter während der Semesterferien zur See, wie es zeitlich gerade• passt auf Kümos, der (alten) ,.Alexander von Humboldt“ oder dem Frachtsegler „Avontuur“.
Lissi lässt ihn nicht los
Und dann ist da natürlich noch die „Großherzogin Elisabeth“, genannt Lissi. Seit Jens Wilbertz während seiner Matrosenausbildung 1982 zum ersten Mal auf dem Dreimastgaffelschoner gefahren ist, lässt ihn das Schiff nicht mehr los – vom Schiffsjungen zum Kapitän.
Insgesamt etwa drei Monate (alle Wochenenden, Urlaube und Ausbildungsfahrten für die Jade Hochschule zusammengenommen) pro Jahr verbringt er an Bord. Und das seit 17 Jahren, seit er Dozent an der Jade Hochschule ist, der die Lissi noch als Schulschiff dient.
Bei, den Ausbildungsfahrten ist der Weg das Ziel, wohin der Wind das Schiff spritsparend trägt. „Bei diesen Fahrten erfahren die Studierenden wie sich Gezeiten, Wind, Wetter und Sturm auf das Schiff und den Menschen auswirken. Sie spüren die Nähe zum Meer ganz anders als auf riesigen Kreuzfahrt- oder Großcontainerschiffen und stoßen auch mal an ihre Grenzen.“
Als Ausbilder müsse der Kapitän die jungen Leute „fordern, aber nicht überfordern“ und erkennen wie er sie motivieren kann und wo ihre Grenzen liegen. „Wir gehen nicht auf volles Risiko. Aber trotz der akribischsten Planung können wir vom Wetter überrascht werden. Dann kannst du manchmal nur noch umdrehen, zum Beispiel, wenn wir von der Weser in die Elbe wollen, der Wind plötzlich gegenan bläst und dann auch noch die Tide gegen uns kippt.“